Heute möchte ich einen ganz persönlichen Newsletter für die Pflanze des Monats schreiben. Einfach aus dem Grunde, weil mich die Brennnessel so sehr fasziniert und ich sie wahrlich liebe! Es könnte also ein etwas längerer Brief werden. :-)
Meine Kindheit und die Brennnessel:
Ich habe mich nie gefragt, ob es Liebe auf den zweiten Blick gewesen ist. Für mich war die Brennnessel immer das notwendige Futter für die frischgeschlüpften Gänseküken, welche wir als Kinder auf der warmen Ofenbank mit den jungen Brennnesseltrieben gefüttert haben. Da waren die Gänse noch niedlich, später ausgewachsen sind sie uns immer fauchend hinterhergerannt.
Was mich mit der Brennnessel auch verbindet, ist meine große Liebe zu Irland und somit zu dem keltischen Märchen „Die wilden Schwäne“. Ich liebe die Geschichte und wollte zu gern der kleine Bruder sein, der durch seinen Schwanenflügel und somit seiner unvollständigen Verwandlung immer zwischen den Welten wandern konnte.
Später, als ich das Spinnen erlernte, kam natürlich noch ein weiterer Aspekt dazu: die Brennnessel (früher auch Hanfnessel genannt) als Spinnfaser. Früher wurde gern das Käsetuch aus Nesselfasern gewebt, da die Brennnessel einen positiven Einfluss auf die Haltbarkeit von Milchprodukten hat. So wurden zum Beispiel auch Brennnesselblätter auf die frischgemolkene Milch oder aufs Stück Butter gelegt.
Ich las, dass man sogar versuchte, die Brennnessel so zu züchten, dass man sie als Nutzpflanze anbauen könnte – es gelang nur mäßig. Sie lässt sich einfach nicht verbiegen, bleibt sie selbst, wild und störrisch und das ist gut so.
Alles an ihr ist wehrhaft: bereits die Blätter sind sägeblattähnlich gezähnt und warnen „Lass mich in Ruhe!“. Wer dennoch zu nahe tritt, verbrennt sich. Eine Frage, die ich mir seit jeher stelle: Schnecken auf Brennnesselblättern – wie schaffen sie das???
Die Große Brennnessel begleitet mich das ganze Jahr: im Frühjahr ernte ich ein paar junge Blätter, wenn sie noch leicht rötlich scheinen und aromatisiere mein Wasser damit, in dem ich sie über Nacht darin ziehen lasse. Später nutze ich die Blätter für Tee oder als Spinat in der Küche. Im Herbst ernte ich die Samen, welche ich gern über den Salat oder auf eine Scheibe Brot mit Frischkäse gebe. Auch die Fasern habe ich schon geerntet und versponnen. Wobei ich sagen muss, dass mir Schaffasern mehr liegen.
Der Name Urtica berührt mich im tiefsten Inneren: URTica – er klingt nach URD, dem Urdbrunnen, wo die drei Nornen sitzen und die Schicksalsfäden spinnen. Beim Aussprechen brummt es regelrecht im Brustkorb und es wirkt so URsprünglich.
Oder auch ihr volkstümlicher Name Donnernessel: „Donner“ von Thor, was mich wieder an Gegrummel vom Gewitter erinnert und „nezzel“ = knüpfen, zusammendrehen – was wieder für die Fasergewinnung spricht und mir als passionierte Spinnerin sehr zugute kommt und meiner Leidenschaft für Fasern entspricht. Am Ende landen wir wieder bei den drei Nornen Urd, Verdandi und Skuld, welche mit Frau Holle (und somit meinem heißgeliebten Holunder) gleichgesetzt werden können. Die große Göttin in ihrer Dreigestalt: die weiße, die rote und die schwarze Göttin – wie auch bei den Kelten „Brigid“, „Modron“ und „Cailleach“. Man sieht, die dreifache Göttin hat viele Namen und ihre Wurzeln in unseren Bräuchen, unserem Glauben reichen tief!
Beim Ernten der Blätter und Samen fiel mir auf, dass sich sehr viele Schmetterlingsraupen und -puppen in die Blätter rollten. Später las ich dann, dass die Brennnessel mehr als 50! Schmetterlingsarten einen Rückzugsort sowie Schutz vor Fraßfeinden bietet. Sie ist Mutter und Kriegerin zugleich, sie vereint das männliche und weibliche Prinzip – nicht umsonst haben unsere Urahnen sie Thor und Freya gewidmet.
Die Brennnessel ist für mich DIE Anpassungskönigin, eine Widerstandskämpferin, sie ist bescheiden und stark, sie strotzt vor Vitalität. Sie ist ungezähmt, unabhängig, unverwüstlich, vital, wild und frei.
Jedem, der es hören möchte, sage ich:
Sie ist kein Unkraut,
sondern eine von Gott geschenkte Pflanze!
Sie ist DIE grüne Kraft!