Sie gehört zu den Frühlingsboten und bald finden wir ihre Verwandten wieder in sämtlichen Blumenläden, schön zurechtgepackt mit Hyazinthen und Osterglöckchen. Doch nur wenige wissen, dass man früher nie Frühlingsblumen wie Kuhschelle, Nieswurz und eben auch die Schlüsselblume abbrechen durfte, da sonst die jungen Hühner sterben würden. Frühblüher waren quasi tabu.
Ihren Volksnamen Schlüsselblume bekam die Pflanze, weil ihre Blüte aussieht wie ein alter Schlüssel – die Blüte selbst stellt den Schlüsselbart dar und der Stängel das Schlüsselrohr. Alle Blüten zusammen ähneln einem Schlüsselbund und so sagt man, dass dieser Schlüsselbund dem heiligen Petrus einst zur Erde entglitt.
Eine andere Sage erzählt davon, dass ein Hirte eine goldgelbe Blume fand, die ihm dann die Felsentore zu verborgenen Schätzen öffnete. Da er aber die Blume im Berg liegen ließ, obwohl ihm eine Stimme zurief „Vergiss das Beste nicht!“, konnte er nie wieder zu diesen Schätzen gelangen.
Die Schlüsselblume hat wie das Lungenkraut kurz- und langgriffelige Blüten. So verhindert sie die Selbstbefruchtung und vermeidet Inzucht. Stattdessen wird die Fremdbestäubung durch Insekten gefördert. Wer möchte, kann sich gern zur sogenannten Heterostylie, also Verschiedengriffeligkeit, belesen und sich wie schon Charles Darwin von der Natur faszinieren lassen.
Doch nicht nur Hummeln summen in den Blütenkelchen: es gibt einen Falter, der fast ausschließlich auf der Schlüsselblume seine Eier ablegt – der Schlüsselblumen-Würfelfalter. Ein hübscher Schmetterling mit dunkelbrauner Grundfarbe und kleinen, rötlich-braunen, in Querlinien angeordneten Flecken.
Und wie soll es bei so einer zauberhaften Blume auch anders sein: sie ist auch eine Zeigerpflanze für das kleine Volk. So wird in der nordischen Mythologie erzählt, dass die Schlüsselblume von Elfen und Feen geliebt und beschützt wird, weil sie Zugang zu verborgenen Schätzen bietet.
Und hier noch ein Gedicht von Nikolaus Lenau:
Primula veris
Liebliche Blume,
Bist du so früh schon
Wiedergekommen?
Sei mir gegrüßet,
Primula veris!
Leiser denn alle
Blumen der Wiese
Hast du geschlummert,
Liebliche Blume,
Primula veris!
Dir nur vernehmbar
Lockte das erste
Sanfte Geflüster
Weckenden Frühlings,
Primula veris!
Mir auch im Herzen
Blühte vor Zeiten,
Schöner denn alle
Blumen der Liebe,
Primula veris!
Liebliche Blume,
Primula veris!
Holde, dich nenn ich
Blume des Glaubens.
Gläubig dem ersten
Winke des Himmels
Eilst du entgegen,
Öffnest die Brust ihm.
Frühling ist kommen.
Mögen ihn Fröste,
Trübende Nebel
Wieder verhüllen;
Blume, du glaubst es,
Daß der ersehnte
Göttliche Frühling
Endlich gekommen,
Öffnest die Brust ihm;
Aber es dringen
Lauernde Fröste
Tödlich ins Herz dir.
Mag es verwelken!
Ging doch der Blume
Gläubige Seele
Nimmer verloren.